Page 36 - Operation Opernball
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2. Hundert Ärzte sucht das Land


                                Die Zahl der Mediziner, die nur mittelmäßig gut schreiben, ist größer
                                als man denkt. Das ist nicht verwunderlich, denn ein Arzt muß nicht
                                stilistisch brillant sein, um ein guter Arzt zu sein. Auch Ärzte, die Ar-
                                tikel für deutsche Zeitschriften schreiben, werden nicht immer ange-
                                halten, sich klar  und verständlich  auszudrücken. Das  Resultat:  Ge-
                                stelztes Bürokratendeutsch, unverständliche Bandwurmsätze,  de-
                                saströs verschachtelte Gedankengänge, kurz: ein Katz-und-Maus-Spiel
                                mit dem Leser. Erstaunt fragen sich die Leser inmitten der linguisti-
                                schen Super-Gaus, ob  die  Poeten überhaupt  wissen,  was sie  sagen
                                wollen, oder ob sie konzeptionell Unfertiges lediglich in Unverständ-
                                lichkeit hüllen. Im deutschen Ärzteblatt und anderen deutschen Blät-
                                tern finden wir immer wieder Paradebeispiele für die fehlende sprach-
                                liche Ausbildung deutscher Ärzte – und die mangelhafte Hilfestellung
                                einiger Redakteure.
                                Genau das wollen wir nicht. Wer ein Lehrbuch schreibt, muß die In-
                                halte ordnen – verständlich ordnen ! – und danach in einfachen Sätzen
                                niederschreiben – verständlich niederschreiben! Wer als Herausgeber
                                eines Lehrbuches kompetente Autoren hat, die ihren Stoff jedoch nur
                                unzureichend geordnet,  kaum verständlich, also  insgesamt  ungenü-
                                gend darstellen,  muß die Überarbeitung  der  Kapitel  in  die  eigene
                                Hand nehmen. In einigen Fällen wird er Texte sehr sorgfältig redigie-
                                ren.
                                Was  aber, wenn der Herausgeber nicht  in der  Lage  ist,  den  stilisti-
                                schen und didaktischen Feinschliff sowie die sprachliche Harmonisie-
                                rung der Kapitel zu übernehmen?  Oder aus Zeitgründen passen muß?
                                Dann wird die Überarbeitung an externe Mitarbeiter delegiert, meist
                                an Medizinlektoren. Dadurch entstehen zusätzliche Kosten, die bei der
                                Planung berücksichtigt werden müssen.
                                Über die inhaltliche und stilistische Oberaufsicht hinaus hat der Her-
                                ausgeber eine weitere heilige Pflicht: Er muß die von seinen Autoren
                                eingereichten Texte an die Öffentlichkeit bringen. Jeder, der bei Me-
                                dizinlehrbüchern mitgeschrieben  hat, kennt aus Erfahrung  oder  Er-
                                zählungen die leidlichen Fälle, wo gute Texte in langen Nächten ent-
                                stehen und dann  entweder  Jahre  später oder gar  nie veröffentlicht
                                werden.
                                Sobald ein Text von einem Autor abgeliefert wird, stehen Sie daher in
                                der Pflicht. Sie müssen den Text veröffentlichen und müssen Ruhm
                                und Ansehen Ihrer Autoren nach Kräften mehren. Wenn Sie beschlos-
                                sen haben, fertige Texte im Internet in anteprima zu publizieren (siehe

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